6.2.1. Temperaturausgleich Bringt man zwei (oder mehr) Stoffe in thermischen Kontakt, so beobachten wir, dass spontan ein bestimmter Prozess einsetzt, der "automatisch" zu einem bestimmten Endzustand führt. Dieser Zustand ist stets dadurch gekennzeichnet, dass alle beteiligten Stoffe die gleiche Temperatur annehmen. Für den täglichen Umgang ist es von Interesse, zu verstehen, wodurch bestimmt wird, wo diese Endtemperatur liegt - näher bei der Temperatur des heißesten oder des kältesten Stoffs. |
Video: Temperaturausgleich zwischen heißem Aluminium und kaltem Wasser Das heiße Aluminium hat sehr viel von seiner anfänglichen Temperatur verloren, während sich das kalte Wasser kaum erwärmt hat. Wasser ist offensichtlich ein thermisch träger Stoff, er ändert seine Temperatur nur geringfügig. |
Wir wiederholen den vorigen Versuch aber nehmen diesmal als Metall einen heißen Kupferblock. Wir wollen sehen, ob das edlere Metall Kupfer in der Lage sein wird, seine thermische Energie besser bei sich zu behalten als das Aluminium. Das wäre dann der Fall, wenn die Endtemperatur im folgenden Experiment höher liegt als beim Temperaturausgleich zwischen Aluminium und Wasser.
Video: Temperaturausgleich zwischen heißem Kupfer und kaltem Wasser ![]() Beim Entauchen in das kalte Wasser haben die beiden Metalle mit 91°C (364K) etwa die gleiche Ausgangstemperatur und das Wasser ist etwa 20°C (293K) "kalt". Man erkennt aber auch einen Unterschied in der thermischen Trägheit zwischen Aluminium und Kupfer: beim Aluminium wird die Temperatur um etwa 4 K weniger abgesenkt als beim Kupfer. Der Aluminiumblock verhält sich thermisch also träger als der Kupferblock. Die Temperatur des Wassers steigt beim Aluminium stärker als beim Kupfer: ΔT(Wasser,Al) ≈ 11 K; ΔT(Wasser,Cu) ≈ 7 K. Deshalb kann man schließen, dass der Aluminiumblock an der Wasserportion deutlich mehr (ca. 60%) thermische Arbeit verrichtet als der Kupferblock. S/R(Al)= 3,41 S/R(Cu)= 3,99 Für die Thermokapazitäten findet man: Cp/R(Al)= 2,93 Cp/R(Cu)= 2,94 Die Thermokapazität des Kupfer ist also nur sehr geringfügig größer als die des Aluminiums, so dass man auch nach diesem Befund feststellt, dass die thermische Trägheit des Aluminiums in obigem Experiment der großen Anzahl der Atome geschuldet ist. In den Abschnitten 3.3 und 3.4 wurden bereits Diagramme gezeigt, die systematisch für die Stoffe im Periodischen System der Elemente zeigen, dass die Thermokapazitäten sich zwar gleichartig, aber wesentlich geringer ändern als die molaren Standardentropien. * Da die Metalle nicht aus Molekülen bestehen haben die molaren Entropien dieselben Zahlenwerte wie die atomaren Entropien. |
Auf der Modellebene lassen sich die in den vorigen Experimenten gezeigten Phänomene auf verschiedene Arten darstellen. In den beiden nächsten Videos wird das Fluidmodell mit Getränkeflaschen als Modellversuch eingesetzt und dabei der Temperaturausgleich zwischen Aluminium und Wasser, bzw. Kupfer und Wasser nachvollzogen. Es kommt in beiden Fällen zu einer Endtemperatur, die näher bei der Anfangstemperatur des Stoffes mit der größeren Standardentropie liegt. |
Video: Modellversuch zum Temperaturausgleich zwischen Aluminium und Wasser |
Video: Modellversuch zum Temperaturausgleich zwischen Kupfer und Wasser ![]() Man erkennt aus dem Diagramm sehr gut, dass die thermische Trägheit beim Wasser am größten ist und dass das Aluminium in der thermischen Trägheit aber das Kupfer übertrifft, weil die Temperatur des Aluminiums nicht so stark abgesenkt wird wie die des Kupfers. |
Das Fluidmodell erlaubt auch eine starke Vereinfachung, indem auf eine räumliche Darstellung des zylindrischen Speichergefäßes verzichtet wird. Dennoch erkennt man die wesentlichen Eigenschaften der dargestellten Stoffe, wie Entropie/Querschnitt und Temperatur/Füllhöhe. Der folgende Link verdeutlicht dies. |
PDF: Temperaturausgleich zweier Stoffe mit unterschiedlicher Standardentropie |
Möchte man jedoch die Zusammenhänge möglichst umfassend beschreiben, so wird man auf die quantentheoretischen Grundlagen zurückgreifen müssen. Dies ist mit dem Programm Thermulation-I auch leicht zu verwirklichen. Die folgende Animation zeigt einen Temperaturausgleich zwischen zwei verschiedenen Stoffen wie z. B. Metall und Wasser, wobei auch unterschiedliche Atomanzahlen und die quantentheoretischen Hintergründe dieses Prozesses berücksichtigt werden können. Die Simulation bildet den Vorgang des Temperaturausgleichs zwischen Kupfer und Wasser ab, so wie er im obigen Realexperiment durchgeführt wurde.
Schritt 1: Schritt 2: Sat(Al):Sat(H2O)= 28,33:23,30=1,22:1. Auf der Modellebene müssen wir jetzt für Wasser und Aluminium zwei Energieniveauabstände suchen, die bei gleichen Atomanzahlen zu Entropiewerten führen, die an dieses Werteverhältnis gut angepasst sind. Die Werte ΔE(Al) = 1,7 eu und ΔE(H2O) = 2,3 eu erfüllen diese Bedingung auf der Modellebene in Modelleinheiten gut und zwar für jeweils ca. 50000 Teilchen: σ(A):σ(B)= 79000 : 64100 = 1,23 : 1 Diese Wahl ist zunächst willkürlich, denn man könnte sicherlich auch mit zwei anderen Niveauabständen ein angemessenes Entropieverhältnis auf der Modellebene finden. Wir wollen erreichen, dass die Werte im Boltzmann-Diagramm und beim Fluidmodell zu guten Visualisierungen führen. Deshalb wenden wir uns jetzt den weiteren Randbedingungen zu, die die realen Stoffe vorgeben und beurteilen dann am Ende, ob diese Wahl geschickt war. Die beiden folgenden Bilder zeigen die Standardwerte der beiden modellierten Stoffe. Die beiden blauen Halbwertsenergielinien sind sichtbar gleich lang und die Temperaturskalen am Fluidzylinder zeigen die gleiche Füllhöhe an. ![]() ![]() Man erkennt gut, dass Aluminium wegen der 4,5 mal so großen mitteren Atommasse die enger liegenden Niveaus hat. Wegen des größeren Querschnitts des Fluidspeichers, würde man bisher die größere thermische Trägheit beim Aluminium erwarten. Schritt 3: ![]() ![]() Wegen der größeren Temperatur im Aluminium (erkennbar an der längeren blauen Halbwertsenergielinie und der größeren Füllhöhe) hat der Querschnitt, also die Entropie im Fluidmodell nochmal zugenommen und die thermische Trägheit vergrößert. Im Wasser erscheint die thermische Trägheit durch Absenkung der Temperatur noch etwas abgenommen zu haben. Schritt 4: Al : 100g : 26,98 g/mol = 3,71 mol = 3,71 . 6e+23 Atome = 2,22e+24 H2O : 100g : 6,00 g/mol = 16,7 mol = 16,7 . 6e+23 Atome = 1,00e+25 Diese Werte übertragen wir in ihrer Relation auf die Modellebene, indem wir für Wasser die im Programm vorgesehene Anzahl von 50000 und für Aluminium 11100 Atome wählen. Jetzt endlich erhalten wir die tatsächliche Ausgangssituatiuon für unser Modellexperiment: ![]() ![]() Jetzt hat sich das Bild entscheidend geändert: Durch die kleine Stoffportion des Aluminiums ist die Entropie und damit die thermische Trägheit dieser Metallportion deutlich gesunken. Schritt 5: |
Animation: Temperaturausgleich zwischen Aluminium und Wasser |
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Schritt 6: |
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6.2.2. Der thermodynamische Antrieb Beobachtet man natürliche Prozesse, die spontan und freiwillig ablaufen, so ergeben sich vier grundsätzliche Fragen, die für die Deutung des Antriebsphänomens entscheidend sind. Wie kann man verstehen, dass
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In diesem Abschnitt wollen wir uns einem Versuch zuwenden, der für das Verständnis des thermodynamischen Antriebs grundlegend ist. Obwohl die Idee dieses Experiments sehr einfach ist, so bestehen gleichwohl viele Schwierigkeiten, die Durchführung so zu gestalten, dass der tatsächliche experimentelle Befund uns auf dem Weg zum Antrieb weiterhilft. Die einfache Idee des Versuchs heißt: 1. Der Versuch soll mit jeweils 50 mL heißem und kaltem Wasser durchgeführt werden. zu 1. : Es bietet sich an, für das Experiment einen flüssigen Stoff zu wählen, weil man gleich große Stoffportionen sehr einfach bestimmen kann. Wasser ist zudem leicht zugänglich. Allerdings muss man im Auge behalten, dass gleiche Volumina bei unterschiedlichen Temperaturen nicht gleich viele Atome enthalten. Da das kalte Wasser bei Raumtemperatur vorliegt, wird die Dichteanomalie den Ablauf nicht wesentlich beeinflussen. Zwischen zwei festen Stoffen wäre der thermische Kontakt schwieriger herzustellen, wenn es sich z. B. um Metallblöcke oder größere Kristalle (Kandiszucker o. ä.) handeln würde. Metallpulver oder pulverisierte Kristalle wären durchaus eine Alternative. Nach diesen Vorüberlegungen können Sie sich das Video zum Versuch anschauen. Da die Prozessgeschwindigkeit niedrig ist, dauert der Versuch real ca. 30 Minuten. Durch Zeitraffertechnik wurde das Video auf ca. 2 Minuten gestrafft.
Video mit Ton: Temperaturausgleich zwischen zwei Wasserportionen. |
Die beiden folgenden Diagramme zeigen die Messdaten. Trotz praktisch gleicher Ausgangstemperaturen verlaufen die Temperaturkurven deutlich unterschiedlich: Im Falle des Stoffpaares Wasser/Propan-1-ol liegen sowohl die obere wie auch die untere Kurve jeweils höher als die entsprechende Kurve des Stoffpaares Wasser/Wasser. In beiden Fällen stellt sich keine eindeutige Endtemperatur ein, sondern es wird während der Versuchsdauer thermische Energie abgestrahlt. |
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In die beiden folgenden Diagramme wurde eine dritte Kurve eingezeichnet, die die arithmetischen Mittelwerte der oberen und der unteren Temperaturkurven anzeigt. Die mittlere Temperatur sinkt in beiden Versuchen praktisch gleich stark um 9,5 bzw. um 9,2 K. |
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Da die Abkühlung der Apparatur so ermittelt wurde, lässt sich der Abkühlungseffekt aus den Messdaten näherungsweise herausrechnen. Dies zeigt das folgende linke Diagramm. |
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Mit dieser Auswertung liegen wir sehr nah an einem zu erwartendem Befund in einem als ideal angenommenen Kalorimeter. Von dieser Annahme ausgehend wollen wir den thermodynamischen Antrieb zu diesem Prozess weiter herausarbeiten. |
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Das linke Bild zeigt eine Boltzmann-Verteilung für einen Stoff mit hoher Temperatur. |
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Das linke Bild zeigt eine Boltzmann-Verteilung für einen Stoff mit gleicher Teilchenanzahl wie im vorigen Beispiel aber bei niedriger Temperatur. |
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Beide Stoffe emittieren spontan entsprechend ihrer Temperatur. Das rechte Bild zeigt beide Spektren in einem Schaubild. Man erkennt, dass der heißere Stoffes trotz gleicher Teilchenanzahl deutlich mehr thermische Energie durch Emission abgibt als der kalte Stoff. |
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Das obige Bild fasst diese Situation zusammen. Der wärmere Stoff wird durch das linke Regal beschrieben, der kältere durch das rechte Regal. Der blau gezeichnete Photonenstrom stellt nur den Nettoanteil der thermischen Strahlung dar, die vom wärmeren mehr emittiert wird als vom kälteren Stoff. Beide Stoffe sind der insgesamt von beiden emittierten Strahlung ausgesetzt. Dadurch ist der kältere Stoff einer größeren Intensität ausgesetzt als er selbst emittiert: seine Temperatur steigt. Beim wärmeren Stoff ist es gerade umgekehrt. Nur der Nettoanteil der Strahlung des wärmeren verrichtet die thermische Arbeit am kälteren, die zur Temperaturerhöhung des kälteren und zur Temperatursenkung des wärmeren Stoffes führt. |
Animation: Temperaturausgleich zwischen zwei Stoffportionen. |
Den zeitlichen Verlauf dieser Animation zeigt auch das folgende Schaubild. Man vergleiche dieses Schaubild mit den aus den Messwerten erstellten Diagrammen, die am Anfang dieses Abschnitts (6.2.2.) abgebildet waren. ![]() |
Zwei weitere Fälle dieses Temperaturausgleichs sollen noch diskutiert werden: |
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![]() Da das Maximium der Emissionskurve ein Maß für die Temperatur (s. senkrechte gestrichelte Linie) ist, erkennt man, dass der heißere Stoff offensichtlich als größere Portion vorliegt. |
![]() An der senkrechten Linie erkennt man, dass jetzt im Endzustand der Temperaturausgleich vollzogen wurde. Die unterschiedliche Höhe der Emissionskurven im Endzustand benötigt jedoch noch eine Erläuterung. Erwartungsgemäß ist der kalte Stoff wärmer geworden, die Höhe seines Maximums ist größer geworden. Der wärmere Stoff hat sich verständlicherweise "gegengleich" verhalten. Aber die beiden Kurven sind nicht deckungsgleich. |
2. Bei verschiedenen Stoffen mit unterschiedlichen Temperaturen muss man sich den Unterschied in den Emissionskurven noch einmal verdeutlichen. Betrachten Sie die beiden folgenden Bilder. Sie zeigen zwei verschiedene Stoffe bei gleicher Temperatur und Teilchenanzahl: |
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![]() Der Niveauabstand für diesen Stoff ist 1,0 eu (Die Punkte auf der Kurve liegen relativ weit auseinander). Das Maximum liegt bei 4 eu. |
![]() Der Niveauabstand für diesen Stoff ist 0,4 eu (Die Punkte auf der Kurve liegen dichter zusammen als bei dem Stoff des linken Spektrums). Beide Stoffe haben die gleiche Temperatur, weil das Maximum bei beiden bei 4 eu liegt. |
Dass beide Stoffe trotz unterschiedlicher Niveaudichte über das ganze Spektrum hin gleich viele Photonen mit jeweils gleichen Frequenzen ausstrahlen, liegt daran, dass die Besetzungszahlen der Niveaus unterschiedlich sind. Bei geringem Niveauabstand sind die Besetzungszahlen geringer, aber es sind mehr Niveaus besetzt. Dadurch erfolgen gleich viele gleichfrequente Übergänge aber ausgehend von einer größeren Zahl von Niveaus. |
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Es sei noch darauf hin- gewiesen, dass die Entro- pie bis zum Tempera- turausgleich ansteigt. Das Simulationsprogramm er- gibt die Entropiezunahme des nebenstehenden Dia- gramms. |
Am Ende dieses Abschnitts über den Antrieb zum Temperaturausgleich, wollen wir zusammenfassen, welche Antworten zu den vier eingangs gestellten Frage wir bisher geben können.
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