6.4. Volumenarbeit

6.4.1. Gaskompression

Wir beschränken uns hier auf die Wirkung der Volumenarbeit bei Gasen, einerseits um den Einstieg in dieses Kapitel einfach zu halten, andererseits aber auch um die besondere Stellung der Volumenarbeit innerhalb der Thermodynamik herauszuarbeiten.
Entsprechend dieser Vorgabe ist das Experiment auch besonders einfach gehalten:
Mit einem Kolbenprober wird eine 50 mL Luftportion auf 40 mL zusammengedrückt, dann auf 60 mL vergrößert und schließlich noch auf 30 mL zusammengepresst. Diese Werte kann man am Kolbenprober ablesen. Der Kolbenprober ist mit einem Druckschlauch versehen, durch den eine Temperaturmesssonde ins Innere ragt. Das Luftvolumen in dieser Zuleitung ist in den obigen Angaben nicht enthalten.
Betrachten Sie das kurze Video:

Video: Volumenarbeit an Gasen

Betrachten wir die drei Messwerte:

  • Kompression um 10 mL:   ΔT = 0,5 K

  • Expansion um 10 mL:      ΔT = -0,4 K

  • Kompression um 20 mL:   ΔT = 1,1 K
  • Wenn diese Werte auch weit entfernt vom theoretisch zu erwartenden Befund liegen, so zeigen sie doch die richtige Tendenz: Bei Kompression und Expansion um den gleichen Volumenbetrag ergeben sich gegenläufige Temperaturänderungen, die bei der Kompression einen etwas größeren Betrag hat. Bei der Kompression um den doppelten Volumenbetrag ist die Temperaturänderung auch etwas mehr als das Doppelte. Die theoretischen Werte kann das Programm Thermulation II z. B. für Stickstoff anzeigen.

    Bei diesem Experiment ging es allein darum, das Phänomen vorzustellen, um daran die Besonderheit der Volumenarbeit zu entwickeln. Der Wert dieser kleinen Versuchsreihe liegt darin, zu zeigen, dass mechanische Arbeit, die keine wesentlichen Reibungsanteile beinhaltet, überhaupt einen Temperatureffekt hat. Jeder kann diesen Effekt spüren, wenn er mit einer Handpumpe sein Fahrrad aufpumpt und spürt, dass die Pumpe warm wird. Beim Fahrrad könnte man immer noch auf den Gedanken kommen, dass sich die Pumpe vielleicht durch Reibung erwärmt. Dass Reibung jedoch nicht die Ursache ist, wird bei diesem Video gut einsichtig. Das Besondere dieses Phänomens wird erst klar, wenn man sich mit seiner Deutung beschäftigt, besonders wenn man die klassische und die quantentheoretische Deutung gegenüberstellt.

    Der klassische Deutungsansatz geht davon aus, dass die Gasteilchen am Kolben nicht nur reflektiert, sondern durch die Kolbenbewegung noch zusätzlich beschleunigt werden. Da nach klassischer Vorstellung mit der größeren Teilchengeschwindigkeit die höhere Temperatur verbunden ist, wäre dies ein Ansatz, das Phänomen zu verstehen. Jedoch würde dann nach klassischer Ansicht auch die Entropie im Gas steigen. Dies ist aber nach den bekannten Befunden nicht der Fall.

    Animation mit Ton: Volumenarbeit an Gasen, klassisch

    Ein Zusammenhang zwischen Teilchenbewegung und Entropie steht im Widerspruch zu den tabellierten Entropiemesswerten. So hat das Edelgas Helium ein kleinere Standardentropie als das Edelgas Neon, obwohl man klassisch für das Helium eine größere Teilchengeschwindigkeit als für Neon annimmt. Auch weiß man aus spektroskopischen Messungen, dass die Ionen im Natriumchlorid mit höherer Frequenz schwingen als im Kaliumbromid. Gleichzeitig hat aber Kaliumbromid die größere Standardentropie.
    Wenden wir uns deshalb dem quantentheoretischen Deutungsansatz zu. Wenn die Entropie konstant bleibt, dann muss es wohl offensichtlich so sein, dass die Anzahl der besetzten Niveaus und alle Besetzungszahlen konstant bleiben. Ohne Frage ist jedoch Arbeit am Gas verrichtet worden, so dass im Gas die thermische Energie zugenommen hat. Wie kann das gehen? Des Rätsels Lösung liefert die Schrödinger-Gleichung. Wir müssen sie aber hier nicht lösen, um das Phänomen zu verstehen. Aus der Schrödinger-Gleichung ergibt sich, dass die Abstände der Energieniveaus größer werden, wenn man den Gasraum verkleinert, und umgekehrt. Wenn man diese Vergößerung schafft, ohne elektrische Wechselfelder bei dem Prozess einzusetzen, so kann es gelingen, dass die Teilchen ihre Niveaus nicht wechseln können und dann natürlich auch die Entropie konstant bleibt.
    Betrachten Sie dazu die folgende Animation:

    Animation: Volumenarbeit an Gasen, Regalmodell

    Die klassische Animation ist insofern hilfreich, dass man daran die elektrostatische Wechselwirkung zwischen Kolben und Gasteilchen verstehen kann. Da jedoch die Translationsenergie im Gasraum gequantelt ist, werden die Teilchen nicht schneller im klassischen Sinn, sondern ihr Energiezustand ändert sich: Ohne elektrische Wechselfelder springen sie nicht in ein höheres Niveau, stattdessen werden sie mitsamt ihren Energieniveaus angehoben. Auch dadurch vergrößert sich die Halbwertsenergie, d. h. die Temperatur steigt.

    6.4.2. Modellversuch zum Kühlschrank

    Ein Laborzerstäuber, der dazu gedacht ist ein Chromatogramm mit Ninhydrin zu befeuchten, lässt sich in Verbindung mit einer elektrischen Laborpumpe zu einem Modellversuch zum Kühlschrank zusammenstellen. Eine felxible Temperaturmesssonde lässt sich in den Druckschlauch zwischen Pumpe und Drossel des Zerstäubers einbauen und eine zweite Sonde misst die Temperatur des zerstäubten Arbeistmitels.
    So kann man verschiedene Arbeitsmittel durchmessen und die unterschiedliche Temperaturabsenkung mit den thermischen Stoffeigenschaften des Arbeitsmittels deuten.
    Schauen Sie sich dazu das nächste Video an:

    Video: Modellversuch zum Kühlschrank

    Wasser als Arbeitsmedium hat zwar eine große Verdampfungsenthalpie, aber im eingestellten Verdampfungsgleichgewicht liegt nur wenig "Wasserdampf" vor. So ist die Temperaturabsenkung auch nur gering.
    Beim Arbeitsmittel Propanon, Trivialname Aceton, liegt das Gleichgewicht mehr auf der Seite des Produkts, d. h. es verdampft praktisch vollständig, d. h. es werden deutlich mehr Teilchen endotherm in den Gaszustand übergeführt. So kommt die stärker Temperaturabsenkung zustande.
    Natürlich kommen beim Gesamtprozess "Kühlschrank" noch andere Prozessschritte hinzu. Diese können Sie sich mit dem Fluidmodell mit der folgenden PDF-Datei klarmachen. Mit diesem einfachen Modell kann man die komplexen Vorgänge sehr gut strukturieren.

    PDF: Der Kühlschrank, Modellversuch und Deutung mit dem Fluidmodell.